Welch wunderbarer Widersinn
24/06/2009
Nach der Pause, nicht ganz so hell auf der Szene, ein präparierter Hirsch im Lichtkreis. Das Tier macht einen bemitleidenswerten Eindruck. Verwundet, erschöpft, in seinen letzten Zügen?
Dann begeben sich vier Hirsche im Balzgebaren auf die Pirsch. Welch wunderbarer Widersinn, sie bedienen sich genau der Mittel, deren tödliche Wirkung das Bild vom toten Hirsch demonstriert.
Yossi Berg und Oded Graf haben ein Männerstück choreografiert und das wird von ihnen zusammen mit Sergiu Mathis und Thomas Michaux äußerst rasant in einer Mischung aus Show und Kampftechniken, geradezu klassisch anmutenden Kombinationen, solistisch oder in unterschiedlichen personalen Varianten, abgebrannt wie ein tänzerisches Feuerwerk in etwas mehr als 30 Minuten. Musik von Bach, Violine solo, gemixt mit Sounds aus swingender Unterhaltung und Elektronik.
Vier Männerhirsche in Anzügen mit bunten Partyhemden darunter. Es kann los gehen. Am Ende ist Blut geflossen, der Hirsch ist tot, von Alice war die Rede, gesehen haben wir sie nicht, vier Männer sind abgetaucht in einen donnernden Disco-Daarkroom, haben die Sau raus und die Hosen runter gelassen. Man kann den Eindruck gewinnen, dass sie Frau sagen und sich selbst meinen, dass sie noch lange daran arbeiten werden, „ich“ zu sagen. Es gibt getanzte Szenen, da schreien die Körper nach Berührung, aber nur der Kampf ist das legitime Mittel, einander nahe zu kommen, in den Armen zu liegen. Ein faszinierender Tanz um Gewalt und Zärtlichkeit, Männer, Männlichkeit und das blutige Missverständnis, dass Liebe eigentlich ein Kampfsport sei.